Ein echtes Manuskript von Mozart?
Drei Kadenzen in A-Dur
Oliver Huck
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Das Blatt ist ein Beispiel für ein von der Witwe des Komponisten am 15.10.1838 als „echt“ erklärtes, lange als echt geglaubtes und erst spät als von dessen Vater stammend identifiziertes Mozart-Manuskript. Constanze schreibt: „daß dieses ein ächtes Mahnuscript von Mozart ist, bestättigt Seine Wittwe Constanza Etatsräthin von Nissen, Salzburg am 15 8ber 1838“ und lässt ihre Unterschrift beglaubigen.
Im Kontext von „Originals and Originators“ handelt es sich hier nicht um eine Fälschung, auch ist nicht anzunehmen, dass Constanze bewusst war, dass es sich um die Handschrift des Vaters handelt. Das Blatt wurde als Devotionalie entweder verkauft oder verschenkt, philologische Forschung von Wolfgang Plath konnte dann 1960/61 Schreiber und Autorschaft klären.
Nachdem Tode ihres Mannes Wolfgang Amadeus verkaufte und verschenkte Constanze Mozart (ab 1809 verheiratet mit dem dänischen Diplomaten Georg Nikolaus Nissen) nach und nach die Autographe aus dem Nachlass ihres Mannes. Eine wertvolle Sammlung mit vielen ungedruckten Kompositionen erwarb der Offenbacher Verleger Johann Anton André 1799/1800. Viele Einzelblätter wurden hingegen eher als Reliquien verstreut, von Constanze versehen mit Beglaubigungsvermerken der Echtheit der Handschrift ihres ersten Mannes. In dessen Nachlass befanden sich jedoch auch in nicht geringer Zahl Manuskripte, die er gar nicht selbst geschrieben hatte, und da die Mozart-Forschung noch bis 1960 vielfach die Handschrift von Wolfgang Amadeus nicht von jener seines Vaters Leopold zu unterscheiden vermochte, wird Constanze in gutem Glauben gehandelt haben, als sie auf dem Blatt vermerkte „daß dieses ein ächtes Manuscript von Mozart ist, bestättigt Seine Wittwe Constanze Etatsräthin von Nissen, Salzburg am 15t 8ber 1838“. Diese mit Siegel versehene Unterschrift wurde mit Datum vom 17. Februar 1840 vom Salzburger Bürgermeister beglaubigt.


Auch der Altonaer Autographensammler Oscar Ulex wird das Blatt in dem Glauben, nun ein Autograph von Wolfgang Amadeus Mozart zu besitzen, erworben haben und dabei den enthaltenen Noten wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. Ein vergleichbares, von Leopold geschriebenes und von ihr als von (Wolfgang Amadeus) Mozarts Hand beglaubigtes Blatt verschenkte Constanze 1829 an den Londoner Verleger Vincent Novello (London, British Library, Add. 14396). Im Zuge der Erarbeitung der Neuen Mozart Ausgabe legte Wolfgang Plath dann 1960/61 eine paläographische Untersuchung der Handschrift Leopold Mozarts vor, die eine Verwechslung der Handschriften von Vater und Sohn seither vermeiden half. Die drei Hauptkriterien, die er als Zusammenfassung zahlreicher Details benennt, sind bei Leopold eine Fähigkeit zur Kalligraphie, ein sauberes, ordentliches und auf Lesbarkeit bedachtes Schriftbild und präzise gezeichnete Zeichen „mit einer Tendenz zur Pedanterie“. Wolfgangs Schriftbild hingegen war nicht auf gute Lesbarkeit hin berechnet, Plath nennt ihn „unfähig zur Kalligraphie“. Neben eigenen Kompositionen hat Leopold vielfach auch jene seines Sohnes abgeschrieben, in frühen Jahren um überhaupt ein lesbares Manuskript derselben herzustellen, so die allerersten Klavierstücke KV 1a–d seines fünfjährigen Sohnes, die sein Vater in jenes Notenbüchlein eintrug, das er 1759 seiner Tochter Maria Anna geschenkt hatte und das später auch dem Unterricht des Sohnes diente.

In späteren Jahren half Leopold Stimmenmaterial für Aufführungen herauszuschreiben, so ist der Stimmensatz zur sognannten „Alten Lambacher“ Sinfonie G-Dur KV Anh. 221/45a (München, Bayerische Staatsbibliothek, Mus. ms. 13467) eine 1766 in Den Haag entstandene Familienproduktion, bei der neben Leopold und einem unbekannten Kopisten auch Wolfgangs Schwester Maria Anna mithalf und die Bassstimme schrieb. Daneben gibt es auch Manuskripte, in denen Vater und Sohn gemeinsam geschrieben haben, so jene der ersten vier Klavierkonzerte, der sogenannten Pasticcio-Konzerte KV 37 und 39–41 (Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Mus. ms. autogr. Mozart, W. A. 37.39–41). Der Vater ließ hier seinen elfjährigen Sohn Klaviersonaten von Leontzi Honauer, Hermann Friedrich Raupach, Johann Schobert, Johann Gottfried Eckard und Carl Philipp Emanuel Bach als Konzerte bearbeiten und notierte dazu teilweise die Klavierstimme, schließlich nahm er Korrekturen in dem vom Sohn geschriebenen Orchestersatz vor.
Leopold Mozart notierte in dem in Hamburg verwahrten Blatt drei Alternativen für eine Kadenz in A-Dur für zwei Melodieinstrumente. Aufgrund des Ambitus und da er selbst Violinist und Vizekapellmeister in der Hofkapelle des Salzburger Erzbischofs war, ist anzunehmen, dass das Notat für zwei Violinen bestimmt ist. In seiner Gründlichen Violinschule (1756) sind keine vergleichbaren Kadenzen enthalten, auch haben weder er selbst noch sein Sohn ein Konzert für zwei Violinen komponiert. Der Anlass und die Bestimmung dieser Kadenzen sind damit unklar.