Multikulti in Roms Armee
Ein Amtsquittungsbuch aus der ala veterana Gallica
Leah Mascia und Olivier Bonnerot
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Dieses offizielle Quittungsbuch aus Papyrus im Format 22 × 36,5 cm stammt aus dem Jahr 179 n. Chr. Es handelt sich um ein Fragment einer 4,33 Meter langen Rolle mit Quittungen für faenarium, also Heu, ausgestellt für Soldaten der ala veterana Gallica in Alexandria. Der Papyrus, erworben zusammen mit 15 anderen Dokumenten auf dem Antiquitätenmarkt, wurde wahrscheinlich im Nomos Arsinoites, gelegen im Fayyum-Becken, im kleinen Dorf Karanis gefunden, dessen Ruinen in der Nähe der heutigen Siedlung Kom Aushim liegen.
Die Rolle gehörte zum Privatarchiv von Iulius Serenus, dem ehemaligen summus curator der ala, der sich in den ersten Jahrzehnten des 3. Jahrhunderts n. Chr. aus dem aktiven Dienst in Karanis zurückzog. Der Papyrus stammt aus der Zeit seines Dienstes im Dorf Nikopolis (Sidi Gaber). Dank der mehr als 40 Einträge, die Soldaten der ala nennen, bietet diese Militärrolle einen Einblick in das multikulturelle Spektrum in der römischen Armee.
Die in diesem Fragment erwähnten Personen tragen überwiegend lateinische (Iulius Marcus, Valerius Nepotianus, Marcus), griechische (Amerimnos, Theophilos, Menodoros, Dionysios, Melanos, Nephos) und ägyptische (Nepheros, Onnophris) Namen. Diese Namen geben jedoch keine vollständige Auskunft über die ethnische und kulturelle Identität der erwähnten Personen, wie die Patronyme (also die Namen der Väter) bei den meisten dieser Personen zeigen. So ist der Name des Vaters von Amerimnos, Ammonios, zwar ein typisches Anthroponym, das vom Namen des ägyptischen Gottes Ammon abgeleitet ist; aber seine Wurzeln hat er wahrscheinlich in der griechischen Kolonie Kyrenaika (heute Libyen). Onnophris (ägyptisch Wn-nfr, „der Vollkommene“) und sein Vater Kollouthes (ägyptisch Klḏwȝ) hingegen tragen einheimische Namen. Ein weiterer Soldat mit dem griechischen theophorischen Namen Menodoros (griechisch Μηνόδορος, „Geschenk des Men“) wird als Sohn des Marcus erwähnt, der einen typischen lateinischen Namen trägt. Die Herkunft der Namen spiegelt also nicht unbedingt die ethnische Zugehörigkeit ihrer Träger wider, und viele der Soldaten mit griechischen Namen könnten beispielsweise Ägypter oder Römer gewesen sein.
Die onomastischen Daten, die in der gesamten Rolle aufgezeichnet sind, sowie die in der Morphologie der Quittungen nachweisbare Zweisprachigkeit ermöglichen es uns, Soldaten zu identifizieren, die aus unterschiedlichen Regionen des Römischen Reiches stammten, von den westlichen Provinzen bis nach Mesopotamien, und die Griechisch, Latein oder semitische Sprachen sprechen konnten.
Jeder Abschnitt ist durch einen griechischen Buchstaben am linken Rand der Rolle gekennzeichnet. Sein Ende wird durch eine horizontale Linie zwischen den verschiedenen Einträgen hervorgehoben. Diese Unterteilung scheint auch häufig Textabschnitte zu markieren, die zu verschiedenen Schreibern gehören. Insgesamt lassen sich fünf verschiedene Schreiber identifizieren, deren Niveau sehr unterschiedlich ist. Zwar verfügten wohl die meisten von ihnen über eine gewisse Erfahrung und waren das regelmäßige Schreiben gewöhnt, doch nicht alle scheinen professionelle Schreiber gewesen zu sein. Vermutlich waren darunter auch Soldaten, die ausgewählt wurden, um im Namen ihrer Kameraden zu schreiben
Das Quittungsbuch ist auch für die Geschichte der Tinte ein sehr wertvolles Dokument, da es mehrere Tintenkompositionen auf einem datierten Fragment vereint. Die Tinten dieses Papyrus wurden im Labor des Clusters mittels Nah-Infrarot-Reflektographie und Röntgenfluoreszenzspektroskopie (XRF) analysiert. Dabei wurden zwei Arten von Tinten gefunden: reine Kohlenstofftinten und kupferhaltige Kohlenstofftinten.