Keilschrift unterm Röntgenstrahl
Eine Quittung aus Mesopotamien kommt an die Beamline
Szilvia Jáka-Sövegjártó
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Diese kleine Keilschrifttafel aus dem antiken Mesopotamien, genauer der Stadt Umma, stammt aus der Regierungszeit der Dynastie Ur III (2112–2004 v. Chr.) und dokumentiert eine Auszahlung von Mehl. Die Tafel misst 4,1 × 4,0 × 1,5 cm und ist aus Ton. Sie wurde wahrscheinlich nach der Herstellung in der Sonne getrocknet.
Der Inhalt des Textes ist praktischer Natur und kurz und bündig geschrieben. Die Vorderseite gibt Informationen über die Transaktion, die Rückseite nennt das Datum. In Mesopotamien wurden die Jahre nach bedeutenden Ereignissen benannt, wobei besonders markante Ereignisse für mehrere Jahre verwendet wurden. Das ist auch hier der Fall. Der Name des Jahrs lautet „das Jahr nach dem Bau der Amurru-Mauer“, was eine Kurzversion des Jahresnamens ist, der sich auf das fünfte Regierungsjahr von König Šu-Suen (ca. 2033 v. Chr.) bezieht.

Marta Mayer/DESY
Ebenfalls interessant sind die Spuren des Beglaubigungsverfahrens mit einem Zylindersiegel. Das Siegel stammt von Ayakalla, dem Gouverneur von Umma, der als Bürge für die Transaktion fungierte. Zylindersiegel hatten im alten Mesopotamien eine ähnliche Funktion wie eine Unterschrift. Der Abdruck sowohl des Bildes als auch des Textes, der in das Siegel eingraviert wurde, ist gut erhalten und auf der Tafel noch sichtbar.
Die Stadt Umma lag im südlichen Mesopotamien und wurde in der Zeit von Ur III zu einem wichtigen Provinzzentrum. An der Ausgrabungsstätte wurden rund 30.000 Verwaltungsdokumente entdeckt, die Aufschluss über die Geschichte der Region geben. Einige der Umma-Tafeln wurden auf Antiquitätenmärkten in den 1900er Jahren gehandelt. Zahlreiche Plünderungen in den frühen 2000er Jahren beeinträchtigten weitere Ausgrabungen an der archäologischen Stätte.

Marta Mayer/DESY
Neben anderen Originalkeilschriften, die sich in der Sammlung der SUB befinden, ist auch dieses Manuskript Gegenstand einer Pilotstudie, die das Cluster in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) durchführt. Mit nicht-invasiven Verfahren wird dabei die Materialzusammensetzung des Tons, aus dem Keilschrifttafeln hergestellt wurden, analysiert. Wir hoffen, auf diese Weise Muster in Bezug auf verschiedene Herkunftsorte zu erkennen und so eine nützliche Datenbank für Provenienzstudien aufzubauen. Gleichzeitig ist diese Studie hilfreich, um Fragen über die Materialität und zum Herstellungsprozess von Keilschrifttafeln zu beantworten.