Manuscript Cultures
Das CSMC unterstützt die Ausstellung am MHGEine Stadt wird bunt
25. November 2022

Foto: Museum für Hamburgische Geschichte
Das Hamburg der frühen 80er-Jahre bietet vielerorts reizarme Bilder: Nachkriegsarchitektur, Betonwüsten. Dann wandelt es sich binnen Kurzem zum Graffiti-Hotspot. Die Ausstellung „Eine Stadt wird bunt“ erzählt von den Metamorphosen einer Szene, die die jüngere Stadtgeschichte mitgeschrieben hat.
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„Vieles waren Schmierereien. Aber vieles hat mich auch begeistert.“ Es ist eine durchaus bemerkenswerte Einschätzung, die Bodo Claußen 1988 zum Thema Graffiti abgibt. Immerhin ist er zu diesem Zeitpunkt Leiter einer Sonderkommission der Bahnpolizei, deren Aufgabe darin besteht, den „Schmierfinken“ das Handwerk zu legen. Aber auch der Beamte erkennt: Graffiti passt in keine Schublade. Was viele Zeitgenossen zunächst als Vandalismus verdammen, ist in Wahrheit ein schillerndes Phänomen, für das der Drang zur künstlerischen Selbstvergegenwärtigung mindestens ebenso wichtig ist wie der Reiz des Verbotenen.
Bis Hamburger Polizisten junge Sprayer jagen, hohe Bußgelder verhängt werden und Zeitungen und Magazine Titelstorys bringen, ist in kurzer Zeit viel passiert in der Stadt: Anfang der 1980er-Jahre wird sie von der Hip-Hop-Welle erfasst, die aus den USA herüberkommt. Breakdance, DJing und eben Graffiti werden zu den wichtigsten Ausdrucksformen einer erst kleinen, dann immer schneller wachsenden Subkultur. Graffiti ist davon die sichtbarste. Denn wo zuvor höchstens vereinzelte Sponti-Sprüche mal eine graue Hauswand zierten („Russen raus aus Afghanistan“, „Wer Kohl wählt, wählt den Krieg“ und so weiter), verbreiten sich nun flächendeckend immer ausgefeiltere Pieces: knallig, bunt, illegal – je aufsehenerregender, desto besser.
Insofern ist es kein Wunder, dass Graffiti und der Umgang mit seinen Urhebern bald die Gemüter erhitzt. Doch noch während die Polizei Ender der 80er immer härter durchzugreifen beginnt, setzt auch bereits eine Professionalisierung der Szene ein, in deren Folge Graffiti, zumindest teilweise, den Weg von der Straße in die Kunstgalerien findet. Denn nicht nur Bodo Claußen bemerkt, dass hier nicht selten Kunstwerke entstehen, die staunenswert sind und für die es sogar einen Markt gibt.
Mit der Ausstellung „Eine Stadt wird bunt. Hamburg Graffiti History 1980 – 1999“ ist Graffiti nun sogar im Museum angekommen. Graffiti ist eine vergängliche Kunstform: Manche Werke überdauern Jahre, andere nicht einmal ein paar Tage. Doch Dank der akribischen Arbeit der Kuratoren – selbst Mitglieder der Szene von Anfang an und bereits früh auch damit beschäftigt, ihr Wirken zu dokumentieren – können Besucher im Museum für Hamburgische Geschichte (MHG) im Zeitraffer erleben, wie die Graffiti-Kultur aufkeimte, erblühte, teilweise gleichzeitig bekämpft und gefeiert wurde und der grauen Stadt Farbe verpasste. Einer von ihnen ist Mirko Reisser alias DAIM, ein ehemaliger Artist in Residence am CSMC und eine der prägenden Figuren der Graffiti-Szene in Hamburg und darüber hinaus.
Das CSMC, an dem in diesem Jahr ein eigenes Forschungsfeld zum Thema Graffiti etabliert wurde, das neben seinen zeitgenössischen Ausprägungen in der Hansestadt die gesamte Geschichte des Graffiti seit der Antike aus einer globalen Perspektive betrachtet, unterstützt die Ausstellung als Partner, für 2023 sind gemeinsame Veranstaltungen mit dem MHG geplant. Die Ausstellung ist bis zum 31. Juli 2023 zu sehen.